Leonard Cohen und … der SUMMER OF LOVE 1967
I. Introduction
Zehn Jahre bevor 1969 das “Love, Peace & Music”-Festival von Woodstock im Staate New York zum Synonym für sämtliche Open Air-Veranstaltungen der Pop Musik bis heute wurde, versammelten sich 1959 zum ersten Mal “Künstler, die über Jahrzehnte aufopferungsvolle Pionierarbeit geleistet haben” (Tilgner 1988, S. 42) bei dem 1. Newport Folk Festival.
Der Mythos des Woodstock-Festivals “für Frieden und Liebe” 1969 (vgl. Kinsler, 1989, S. 10) verlor sich in den ökonomischen Interessen der Musikindustrie. Und das bereits kurze Zeit nach dem als das größte Open Air-Festival aller Zeiten gepriesenen Spektakel. Obwohl “Woodstock” immer wieder als das Vorzeige-Open Air-Festival genannt wird, ging diesem in den 60er Jahren eine ihm eigene Entwicklung voraus (vgl. Graf, 1995, S. 59f)
II. Das Newport Folk – Festival
Das Newport Folk Festival ist ein jährliches Folkmusik–Festival, das 1959 zum ersten Mal in Newport in Rhode Island (USA) stattfand.
Begründet wurde das Festival von Joyce und George Wein, der bereits 1954 das Newport Jazz Festival ins Leben gerufen hatte, und Albert Grossman, dem späteren Manager von Bob Dylan. Nach einer zweijährigen Pause (1960/1961) wurde es mit Unterstützung von Pete Seeger und Theodore Bikel fortgesetzt.[1]
Zahlreiche der bedeutendsten Blues– und Folkmusiker sind auf dem Newport-Festival aufgetreten – unter anderem John Lee Hooker, Muddy Waters, Howlin’ Wolf und Lightnin’ Hopkins. Viele andere bekannte Künstler hatten ihren ersten großen Auftritt in Newport, so etwa 1959 Joan Baez, 1963 Bob Dylan, Buffy Sainte-Marie, Phil Ochs,1965 Donovan, 1967 Arlo Guthrie, Leonard Cohen, 1968 Pentangle und 1969 James Taylor.
Am 25. Juli 1965 wurde Bob Dylan in Newport ausgebuht und als „Verräter“ beschimpft, als er mit der Paul Butterfield Blues Band auftrat und zur Elektrogitarre griff. Seinen Auftritt brach er nach nur 15 Minuten ab; erst 2002 kam Dylan wieder nach Newport zurück.
Nachdem der Folkrock Ende der 1960er Jahre an Bedeutung im internationalen Musikgeschäft verlor, geriet das Festival in Schwierigkeiten und wurde ab 1971 nicht mehr veranstaltet. Erst 1985 wurde es wiederbelebt und ist bis heute eines der Hauptereignisse der Folkmusik in den Staaten, zusammen mit dem Philadelphia Folk Festival, das seit 1960 ununterbrochen jedes Jahr stattfindet.
Um in einem breiten Programm ihre Musik einem ebenso breiten Publikum zu präsentieren, versuchten diese Künstler das bereits seit 1954 begründete Newport Jazz Festival in Newport, Rhode Island durch eben dieses l. Newport Folk Festival attraktiver zu machen. Zur Stilrichtung des Jazz kamen die des Blues und Folk hinzu.
Das von George Wein und Albert Grossman initiierte Festival sollte “alljährlich eine Reihe populärer Künstler und Newcomer” präsentieren. John Lee Hooker, Pete Seger und die damals erst 17 jährige und nahezu unbekannte Joan Baez (s. Abb. 21) waren die Gäste (vgl. Graves/ Schmidt-Joos 1973, S. 321). “Im Jahr daraufplatzte das Newport Folk Festival mit über 30 Solisten und einem guten Dutzend Gruppen schon aus allen Nähten, wurde aber nach Tumulten beim Jazzfestival wenige Wochen später zusammen mit diesem von den erschrockenen Behörden zwei Jahre auf Eis gelegt” (Tilgner 1988, S. 42). Beim dritten Festival dieser Art 1963 zählten die Veranstalter schon über 40.000 Zuschauer, 1964 70.000 und 1965 bereits über 80.000 Zuschauer. Bob Dylan machte Newport 1965 dadurch berühmt, daß er als Folk-Sänger eine elektrische Gitarre anstimmte und damit den “Folk Rock” begründete (s. Kapitel 2.1.4.).
Zeitgleich brachen um 1964 in den USA die Studentenbewegungen aus, vorrangig ausgehend von der “Berkeley University of California”. Bis zu 30.000 Teilnehmer zählte das größte “Vietnam-Teach-In” am 21. und 22. Mai 1965 in Berkeley. “Rund 100 Veranstaltungen dieser Art waren es im ganzen Land, zur Verbreitung unterdrückter oder zur Richtigstellung verfälschter Informationen über den Krieg und zur Artikulation von Protest dienten” (Tilgner 1988, S. 24). Stets umrahmte ein künstlerisches Programm diese Veranstaltungen, bei denen sich Tausende unter freiem Himmel versammelten, um ihr soziales Engagement zu zeigen und der Musik beizuwohnen. Der Staat Kalifornien wurde zum Wallfahrtsort für all die, die auf der Protestwelle mitschwammen. Studenten und Künstler opponierten auch durch ihr Äußeres. Sie “ließen sich die Haare wachsen und probierten Marihuana. Dafür verzichteten sie auf Anzug und Schlips. Machten sie Musik, handelte es sich um das, was mit drei Akkorden auf der Gitarre jeder machen konnte: Folk.” (ebenda 1988, S. 25). San Francisco wurde zum Zentrum dieser künstlerisch und musikalisch angehauchten Lebensart der “Blumenkinder” und Hippies. “Es herrschten regelrechte Liverpooler Zustande. Musik und Lebensstil verschmolzen miteinander.” (ebenda 1988, S. 27). Zwischen 1965 und 1967 gab es bis zu 1500 verschiedene Bands in der Stadt. The Grateßil Dead und Jefferson Airplane waren ihre berühmtesten Repräsentanten (vgl. ebenda 1988, 27; vgl. Zimmermann 1984, S. 101-109; vgl. Jones 1987, S. 77-89).
Am 14. Januar 1967 fand im Golden Gate Park vor 40 000 Hippies die bis dahin größte Massenkundgebung, das “Great Human Be In” statt. Am 10. Juni 1967 folgte die in der Geschichte der Open Air-Massenveranstaltungen zu wenig beachtete “Messe der Phantasie und Zauber-berg-Musikfestival” mit den Doors, Byrds, Jefferson Airplane und anderen, die als erstes ausgesprochenes Rock-Festival gelten kann. (vgl. Tilgner 1988, S. 36).
Doch erst das “Monterey International Pop Festival” vom 16. bis 18. Juni 1967 sollte das erste wirkliche Kapitel der Open Air-Geschichte schreiben. Monterey, das knapp zwei Autostunden südlich von San Francisco gelegene Städtchen mit 26 000 Einwohnern, mußte an diesen drei Tagen mehr als 200.000 Zuschauer auf dem “Music, Love and Flowers”-Festival beherbergen. Monterey, von John Phillips und Lou Adler veranstaltet, war Ralph J. Gleason und Bill Graham gewidmet, die großen Anteil am sogenannten San Francisco-Sound hatten. Erstmals stand bei den Auftritten der damals wichtigsten Bands, den The Who, The Grateful Dead, The Mamas & The Papas, Jimi Hendrix, Otis Redding, Canned Heat und 26 weiteren Gruppen und Solisten, der Kommerz im Vordergrund. Mehrere Live-Mitschnitte und ein Kino-Film trugen zur Popularisierung des Geistes von Monterey bei. 430.000 US Dollar wurden bei einem Eintrittspreis von zwei Dollar umgesetzt (vgl. Peeples 1992, S. 5, 13; vgl. Tilgner 1988, S. 39-88; vgl. Graves/Schmidt-Joos 1973, S. 319f>. Bis ins Jahr 1969 fanden weitere, aber kleinere Festivals statt. “Der Grund war, daß es noch keine auf Rockfestivals spezialisierten Veranstaltungsagenturen gab.
Die vorhandenen Agenturen bearbeiteten eingefahrene Bereiche, und die Organisation so großer Freilichtveranstaltungen war ohne Kredite unmöglich” (Tilgner 1988, S. 97). Und da das Pop-Genre noch immer als das gegen das Establishment angetretene galt, waren Kredite schwer zu bekommen.
III. Der Summer Of Love 1967
Der Ausdruck Summer of Love (Sommer der Liebe) bezeichnet den Sommer des Jahres 1967, als die sogenannte Hippiebewegung in den USA auf ihrem Höhepunkt angelangt war. Oft wird fälschlicherweise angenommen, der „Summer of Love“ bezeichne den Sommer des Jahres 1969, in dem das Woodstock-Festival stattfand.
Der Ausdruck versucht, das Lebensgefühl zu beschreiben, welches im Sommer 1967 im kalifornischen San Francisco herrschte. Als Beispiel dafür gilt der Song San Francisco, gesungen von Scott McKenzie, geschrieben von John Phillips, Sänger von The Mamas and the Papas:
„If you’re going to San Francisco,
be sure to wear some flowers in your hair.
If you come to San Francisco,
Summertime will be a love-in there.“
IV. Leonard Cohen & Joni Mitchell beim Newport Folk Festival 1967
Cohen und Mitchell begegneten sich im Sommer 1967 back-stage beim Newport Folk Festival, wo Judy Collins einen Workshop für Songwriter abhielt. Cohen hatte noch kein Album herausgebracht, aber Collins’ Version von seinem Song »Suzanne« hatte ihm schon einigen Ruhm als Songwriter eingebracht. Der Song porträtiert eine Frau, die die sinnliche Liebe zu einer spirituellen Suche erhebt, und war der erste von vielen Cohen-Songs, die einer ganzen Generation von Zuhörern einen neuen Begriff von Leidenschaft vermittelten. Cohen hatte dazu noch eine ausgesprochen romantische und individuelle poetische Stimme, und das machte auf Mitchell großen Eindruck.
Joni & Leonard Cohen photos courtesy of David Gahr
Meine Ehe mit Chuck Mitchell zerbrach, weil Chuck einen Uni-Abschluss in Literatur hatte und ich in der zwölften Klasse von der Schule geflogen war. Er hatteiesen Bildungsdünkel und dachte im Grunde, ich sei dumm. Nach dieser Ehe hatte ich einen richtigen Komplex. Kurz darauf traf ich Leonard und sagte zu ihm: »Ich bin gänzlich ungebildet, ich habe nichts gelesen, gib mir eine Leseliste.«
Mitchells Erinnerung nach fand Leonard, dass sie für jemanden, der nichts gelesen hatte, sehr gute Songs schriebe und zu viel Lektüre möglicherweise die Originalität ihres Songwri-ting beeinträchtigen könnte. Aber da sie darauf bestand, gab er ihr eine Leseliste, auf der Lorca, Camus und das I-Ging standen, ein Buch, das sie als »lebenslangen Begleiter« bezeichnet. Cohens Weltgewandtheit faszinierte Mitchell, wie sie oft betont, und die tiefgründigen Offenbarungen in seinen Songs zeigten ihr, wie weitreichend sie ihre eigenen Erfahrungen für ihre Musik nutzen konnte.
Joni & Leonard Cohen photos courtesy of David Gahr
Schon bald verbrachten Cohen und Mitchell viel Zeit miteinander, und einen Monat später, als sie zusammen einen Workshop beim Mariposa Folk Festival außerhalb von Toronto gaben, waren sie offiziell ein Paar. Die beiden kanadischen Auswanderer waren erst kürzlich nach New York gezogen, und sie teilten einen Hang zur Rastlosigkeit, sowohl in geografischer Hinsicht als auch in Herzensangelegenheiten. Künstlerisch waren sie zu ernsthaft, um sich der Gegenkultur anzuschließen und die Schattenseiten der Gesellschaft um ihrer selbst willen zu feiern. Außerdem waren sie zu konservativ, um Dysfunktionen zum künstlerischen Prinzip zu erheben, wie es beispielsweise Allen Ginsberg in seinem Gedicht »Howl« (1956) tat.
…
Es kursieren einige ungesicherte Anekdoten darüber, warum ausgerechnet dieser Mann mit seiner höchstens durchschnittlichen Singstimme und seinem großen literarischen Talent auf die Idee kam, sich der Musik zu widmen. In Kanada erzählt man sich gern, wie Cohen in den frühen sechziger Jahren, als er lediglich ein Dichter und noch kein Songwriter war, ein Konzert von Bob Dylan in Montreal besuchte. »Dieser Typ ist so was von schlecht!«, soll er noch beim Verlassen des Saals ausgerufen haben. »Wenn dieser Bastard mit dem Singen seinen Lebensunterhalt verdient, dann kann ich das auch!« Bob Dylan hatte Mitchell gezeigt, dass man Songs über alles Mögliche schreiben kann; vielleicht verhalf er Cohen zu der Erkenntnis, dass sogar ein Kerl, der keine besondere Stimme hat, beim Singen große Ausdrucksfähigkeit entwickeln konnte. Die Kanadier erfreuen sich auch an der Vorstellung, dass lan Tyson durch Dylans »Blowin’ in the Wind« dazu angeregt wurde, die kanadische Folkhymne »Four Strong Winds« zu schreiben. Tyson fand nämlich auch, er könne es besser als Dylan.
(vgl. Mercer: Blue, Berlin, 2010, S. 102-103)
V. Künstler & Setlists/ Newport Folk Festival 1967 Setlists
Date Monday, July 10, 1967 – Sunday, July 16, 1967 Venue Festival Field, Newport, RI, USA
Bis heute sind setlists von 47 gigs bekannt.
- Monday, July 10, 1967
- Tuesday, July 11, 1967
- Thursday, July 13, 1967
- Friday, July 14, 1967
- Saturday, July 15, 1967
Bill Monroe and The Bluegrass Boys
Sara Carter Bayes and Maybelle Carter
- Sunday, July 16, 1967
Links/ Sources/ Quellen:
http://www.rirocks.net/Search/newportfolkfestival.htm
http://en.wikipedia.org/wiki/Newport_Folk_Festival
https://de.wikipedia.org/wiki/Summer_of_Love
Joni & Leonard Cohen photos courtesy of David Gahr
Graf, Christof: Kulturmarketing – Open Air und Poupuläre Musik, Wiesbaden, 1995, S. 59-65
Mercer, Michelle: Blue – Joni Mitchells autobiographische Phase, Berlin, 2010