a-archives – Bob Dylan & der Literatur-Nobelpreis – Eine Lanze für die Pop-Kultur – von Christof_Graf

Foto: Christof Graf

Eine Lanze für die Pop-Kultur

von: Christof Graf

Bob Dylan, der Nobelpreis und was er für die Populäre Musik bedeutet

„Für mich ist das, als würde man dem Mount Everest eine Medaille dafür verleihen, dass er der größte Berg sei“, sagte der andere, der zweite große Singer/ Songwriter  Leonard Cohen (†) über Bob Dylan bei einem „Meet The Press“ in Los Angeles am 13. Oktober 2016. Einen Tag später trat Bob Dylan beim „Desert Trip“-Festival auf und sagte nichts. Zig Tage nach der Bekanntgabe des diesjährigen Literaturnobelpreisträgers in Person von „Bob Dylan“ sagte er noch immer nichts dazu. Dann bedankte er sich Anfang November, um Mitte November zu sagen, dass er leider nicht persönlich an der Feier am 10. Dezember 2016 teilnehmen könne. Das sei zwar ungewöhnlich, aber nicht aussergewöhnlich meinte das Komitee und erwartet zumindest eine Art „Antritts-Rede“ binnen sechs Monaten.

Aber warum wird darum überhaupt soviel Aufsehen gemacht? Von Dylan sagt man, er könne nicht singen und seine große Zeit mit großen Songs sei längst vorüber. Und damit sei er einer von vielen, die aus dem Zeitfenster herausgefallen sind.  In den sozialen Medien schwanken die Reaktionen zwischen Unverständnis und Begeisterung. Die Idee, Bob Dylan den Literaturnobelpreis zu geben, ist keine Neue. Schon in den 90ern wurde er drei Mal für die Nominierung vorgeschlagen.

Egal, ob Gegner oder Befürworter, es ist gut für die Populäre Musik, es ist gut für einen Künstler der Popkultur, den Literaturnobelpreis zu bekommen, egal, wie der Künstler heißt. Es adelt die Popkultur und wen hätte man als Vertreter der Popkultur sonst nehmen sollen, um ein solches Zeichen zu setzen? Wer sonst außer Bob Dylan steht – als lebender und aktiver Vertreter dieses Genres – noch auf den Bühnen dieser Welt, um die Massenkunst des 20. Jahrhunderts endlich in den „Adelsstand“ zu erheben? Niemand, denn niemand ist sonst so lange im Rockgeschäft, niemand sonst hat bereits am 25. Juli 1965 erstmals eine elektrische Gitarre bei einem „Newport Folk Festival“ eingestöpselt und den ersten Heavy-Rock beschworen, niemand seiner Güte hat 37. Studio-Alben aufgenommen, niemand geht seit 1989 für jährlich knapp 100 Konzerte auf „Neverending Tour“ und kein anderer Name wird bei anderen Musikern derart oft und beeindruckt genannt, als der von Bob Dylan.

Selbst Weggefährten seiner Zeit, wie die Rolling Stones oder The Who waren nicht so produktiv und aktiv wie Bob Dylan. Alt-Rocker ehrten und traten mit ihm auf, ebenso auch jüngere mittlerweile zu Helden gewordene Heavy-Rocker wie Slash von Guns`n`Roses. Der hat übrigens für Dylan`s „Under The Red Sky“-Album ein Gizarrensolo eingespielt, das aber wieder vom Album verschwand. Und selbst Heavy-Rocker wie Iron Maiden, Metallica und gar Rammstein nannten Dylans Name als Einfluss oder Wegbereiter. Reicht das aber schon für einen Nobelpreis für Literatur aus? Das dafür verantwortliche Komitee in Stockholm meint „ja“ und: „Dylan ist ein großartiger Dichter. Seit 45 Jahren erfindet er sich immer wieder neu.  Dylan schreibt,  um mit seinen Werken aufzutreten. Nichts anderes habe der Dichter Homer vor einigen Jahrtausenden auch getan“, so Sara Danius, die Chefin der Schwedischen Nobelpreis-Akademie.

Wer ausser ihm, auch wenn nicht allen seine Musik gefällt, hat das getan? Dylan hat über 500 Songs geschrieben und hat damit sechs Jahrzehnte auf Bühnen verbracht und wohl mehr Menschen damit erreicht, als alle Nobelpreisträger zusammen.  Er hat Jazzer, Blueser, Heavy-Rocker und Metaller genreübergreifend inspiriert. Er hat sich schon in den 60ern für die „Human Rights“-Bewegung eingesetzt, gegen Systeme protestiert, dort wo sie nicht sein sollten und er hat sich Woodstock widersetzt. Nun ist er wieder ein Pionier. Und ja, er ist nicht nur Singer/ Songwriter, Musiker und Literat, er ist Poet. Er weiß, wie kein anderer, mit Worten Bildern in Köpfen zu malen und sie so wirken zu lassen, dass jeder darin seine eigenes Bild sieht. Ja, das ist Poesie. Wer ausser Bob Dylan hat das in dieser Quantität und Qualität noch gemacht? – The „Answer Is Blowin`In The Wind“.  Freuen wir uns also, dass wir in derselben Zeit leben und es erleben, in der ein Künstler der Populären Musik derart geehrt wird. Ich bin sicher, er ist der erste, aber nicht der letzte.

 

veröffentlicht in BREAK OUT MAGAZIN No. 6/ 2016